Im felsigen Grund der Bretagne und unter dem Boden des Meeres vor der Halbinsel liegen weder Öl, noch Erz, noch Kohle. Den Urlauber freut es, weil Bohrtürme, Bergwerke oder rauchende Schornsteine nicht den Blick in die Landschaft stören. Bretagne-Besucher zu verärgern könnten sich die Bretonen auch nicht erlauben, stellt doch der Tourismus den wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Region dar.
Neben Touristen sind die Naturgewalten Wind und Meer der größte „Rohstoff“ der Bretagne. Die Kraft des Windes wird jedoch, anders als etwa in Norddeutschland, noch nicht im großen Stil in Energie umgewandelt. Einen echten Innovationsvorsprung hat die Bretagne dagegen bei der Nutzung der Meereskraft, wie zwei Beispiele zeigen.
Atomkraft und Windräder in der Bretagne
Frankreich baute bei der Energieversorgung traditionell auf Atomkraft. Etwa 78 % des Stroms werden aktuell in Atomkraftwerken erzeugt, damit nehmen die Franzosen weltweit den Spitzenplatz in dieser Kategorie ein. Auch in der Bretagne war bis zur Stilllegung 1985 ein Reaktor in Betrieb. Das Kraftwerk Brennilis in den Monts d’Arrée wird seitdem demontiert.
In den letzten Jahren hat in Frankreich ein grundsätzliches Umdenken in punkto Atomkraft eingesetzt. Laut einem Beschluß der Regierung sollen bis 2020 23% der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Der Nordwesten des Landes spielt in den Plänen zur französischen Energiewende eine wichtige Rolle. In Saint-Nazaire, Courseulles-sur-Mer sowie Fécamp sind drei Offshore-Windparks in unmittelbarer Nachbarschaft der Bretagne geplant. Der leistungsstärkste Windpark wird vor Saint-Brieuc stehen, 500 Megawatt Energie versprechen sich die Planer. Die Vorbereitungen für das Großprojekt laufen bereits, ab Anfang 2017 werden die Turbinen auf dem Meer installiert. Weil sich in allen Parks die Windräder mehrere Kilometer vor der Küste drehen werden, müssen Urlauber keine Beeinträchtigung des schönen Aussicht befürchten.
Auf dem Land sind die Windkraftanlagen zwar schwerer zu übersehen, die absolute Zahl ist jedoch überschaubar. Abseits der Küste sind derzeit etwa 50 Windparks in Betrieb, die meisten davon mit einer begrenzten Anzahl von Turbinen. Über einen massiven Ausbau dieser Kapazitäten ist derzeit nichts bekannt.
Umweltfreundliche Energie aus der Kraft der Gezeiten
An der Mündung des Flusses Rance gewinnt ein besonderes Kraftwerk Energie aus dem Meer. Das Gezeitenkraftwerk Rance wandelt die Strömung der Gezeiten umweltschonend in Strom. Seit beinahe 50 Jahren treibt der Wechsel von Ebbe und Flut die mittlerweile 24 Turbinen an. Mit einer Maximalleistung von 240 Megawatt war die Anlage die produktivste der Welt, bis sie 2011 von einem südkoreanischen Kraftwerk abgelöst wurde. Für technikbegeisterte Urlauber ist die Anlage einen Abstecher wert. Das Kraftwerk ist nicht zu verfehlen, der Damm dient gleichzeitig als Brücke für die Landstraße 168 zwischen Dinard und Saint-Malo.
Der innovative Nachfolger des 1967 ans Netz gegangenen Kraftwerkes in der Rance, produziert seit kurzem vor der westbretonischen Insel Ouessant Strom. Die Meereströmungsturbine befindet sich 55 Meter unter dem Meeresspiegel und wird durch die berühmte Strömung „Fromveur“ angetrieben. Aus dem Bretonischen übersetzt bedeutet Fromveur: „großer, reißender Bach“, seit Jahrhunderten ist die Fahrrinne eine ebenso unberechenbare wie wichtige Passage für die Schifffahrt in der Region. Die Turbine erzeugt eine Leistung von 1 Megawatt, weitere Turbinen vor Ouessant sollen folgen. Das Ziel ist, 70% der Stromversorgung von Ouessant auf diese Weise zu decken. In einem Projekt ähnlicher Art wird vor Paimpol-Bréhat eine Turbine von 16 Metern Durchmesser getestet, die auf dem Meeresgrund verankert ist. Schätzungen zufolge könnten Turbinen dieser Art langfristig 6 – 8 Millionen Europäer mit Strom versorgen. Ein innovativer Beitrag der Bretagne für eine saubere Energiegewinnung.
Foto: Comité Régional du Tourisme de Bretagne | © Yanick Le Gal