Saint-Thegonnec: Ein Meisterwerk der bretonischen Kunst und Geschichte

Saint-Thegonnec könnte leicht komplett übersehen werden. Das 12 Kilometer von Morlaix entfernte Städtchen bietet keinen Hafen, kein Museum und ist auch nicht das Tor zu einer Naturschönheit. Dennoch darf Saint-Thegonnec stolz sein auf etwas, das nur sehr wenige Orte in der Finistère von sich behaupten dürfen. Einen einzigartigen, sogenannten Kalvarienberg.

Die Kalvarienberge sind als religiöse Bauten beeindruckende Zeugnisse einer tief empfundenen Religiösiät und einer obsessiven Angst vor dem Tod. Und doch sind sie auch Ausduck von sehr weltlichen Entwicklungen. Darstellungen wie die in Saint-Thegonnec wären undenkbar ohne den großen wirtschaftlichen Wohlstand, den die nördliche Finistère eist genoß: durch den internationalen Handel über den nahe gelegenen Hafen von Morlaix, den Flachsanbau und die Webereien, die die königliche Marine mit Leinwand versorgte und die prosperierende Landwirtschaft blühte die Region im 17. Jahrhundert.

Hat Ludwig XIV. diesem Reichtum einen tödlichen Schlag versetzt, als er Ende des 17. Jahrhunderts das Monopol auf bretonisches Leinen abschaffte und den Seehandel durch Kriege mit Holland und England lähmte? Sehr wahrscheinlich ist die wirtschaftliche Flaute der gesamten Region auf diese Maßnahme zurückzuführen. Wo kein Geld, da auch keine Kunst – und so läutete der den schönen Dingen so zugewandte Sonnenkönig leider auch einen künstlerischen Niedergang ein.

Ein einzigartiges Ensemble

Doch bevor es in Vergessenheit geriet, konnte die bretonische Kunst ein letztes Mal erstrahlen. Das monumentale Ensemble von Saint-Thégonnec – bestehend aus Kirche, Kalvarienberg, Beinhauskapelle und Triumphportal – ist zweifellos eines der bemerkenswertesten in der Bretagne.

Das Kirchhof-Ensemble wird durch ein prächtiges Triumphportal (1587) eröffnet, das aus vier Granitblöcken besteht, die von Laternen gekrönt sind. Der Kalvarienberg (1610) ist der letzte der großen Kalvarienberge des Bistums Léon. Er besteht aus einem schlichten Sockel und drei Kreuzen (das zentrale Kreuz, das mit Figuren, Engeln und Reitern geschmückt ist, hat einen doppelten Querbalken). Viele Figuren, lebendig dargestellt wie zu Zeiten Heinrichs IV. Ziel des Künstlers war es, die Gläubigen mit dieser sehr „pädagogischen“ Darstellung nachhaltig zu beeindrucken.

In der Nähe des im Zentrum von Saint-Thegonnec gelegenen Komplexes befindet sich die Beinhauskapelle. Sie wurde zwischen 1676 und 1682 von der Werkstatt Jean de Bescond aus Carhaix erbaut. Die Fassadengestaltung ist ein bemerkenswertes Beispiel der bretonischen Renaissance (gebrochener Giebel, rundbogige Tür und Fenster, korinthische Kapitelle, Muschelnischen, Laternen). Im Inneren befindet sich eine Krypta, die eine Grablegung (um 1699) beherbergt. Diese lebensgroße und eindrucksvolle Darstellung ist das Werk des Bildhauers Jacques Lespagnol aus Morlaix. Die Kapelle beherbergt heute den Kirchenschatz.