Es ist unmöglich, die Geschichte der Bretagne ohne Anne de Bretagne zu erzählen. Sie war zweimal Königin und hat ihre Epoche durch ihren Charakter und ihren Willen, die Unabhängigkeit ihres Landes zu verteidigen, tief geprägt. Ihre besondere historische Rolle beschert ihr bis heute einen wichtigen Platz in der bretonischen Folklore.
Anne kam als Tochter von Franz II., Herzog der Bretagne und Margeruite de Foix, Princesse de Navarre, am 25. Januar 1477 im Chateau von Nantes zur Welt. Sie erhält die zu jener Zeit für adlige Mädchen übliche Erziehung und lernt hauptsächlich Latein, Französisch und Gesang.
Sehr früh versprochen
Die mächtigen Nachbarn des Königreiches Frankreich schauten zu jener Zeit begierig auf die damals noch unabhängige Bretagne und Annes Vater Franz musste die Franzosen mehrfach abwehren. In seinem Streben um den Erhalt seiner Macht, wird Anne früh ein Teil der politischen Ränkespiele. Schon in sehr jungen Jahren sieht sie erste Interessenten und Verehrer.
Im Gegenzug für die Gunst seine Tochter heiraten zu dürfen, fordert Franz von den Verehrern Garantien für militärische Hilfen gegen die ungeliebten französischen Nachbarn. 1481 wird sie Prince de Gall versprochen, Sohn von König Eduard IV. aus England. Dennoch geben weitere hochadlige Männer nicht auf, unter ihnen Louis de Orléans, Cousin des König von Frankreich und Maximilien von Habsburg, Erzherzog von Österreich.
Da Franz keine Söhne zeugt, entscheidet er sich 1486, Anne als rechtmäßige Erbin einzusetzen – sehr zum Missfallen des französischen Königs Charles VIII. Der verärgert Regent sinnt auf Strafe und lässt ein Heer von 15.000 Mann in die Bretagne ziehen, um die aufsässigen Bretonen endgültig zu bezwingen. Im Juli 1488 sind die bretonischen Armeen in Saint Aubin-du-Cormier im heutigen Ille-et-Vilaine endgültig besiegt. Charles zwingt Franz einen Vertrag auf, nach dem der König künftig bei der Auswahl der Gatten seiner Töchter zustimmen muss.
Das Diktat ist zuviel für Franz, der wenige Wochen später nur 29jährig verstirbt. Er hinterlässt eine tief gespaltene Bretagne. Auf seinem Sterbebett verspricht seine Tochter, alles für die Unabhängigkeit der Bretagne zu tun.
1489 wird sie in Rennes zur Herzogin der Bretagne ernannt. Ein Jahr später verspricht ihr Vormund Marschall de Rieux die damals 12jährige Anne dem Habsburger Maximilian – erneut gegen den Willen des französischen Königs. Charles sieht sich provoziert und schickt wieder einmal Truppen. Die bretonischen Städte werden überrannt, trotz der Verstärkung durch englische und spanische Soldaten.
Erzwungene Ehe
Anne flüchtet nach Rennes. Die schon damals größte Stadt der Bretagne wird belagert, bis die Herzogin der Bretagne im November 1491 kapituliert. Im Zuge der Niederlage verzichtet sie auch auf die Ehe mit Maximilian. Charles schlägt drei weitere potentielle Gatten vor, doch keiner sagt der stolzen Bretonin zu. Die Geschichte zwischen der immer noch minderjährigen Anne und dem französischen König erfährt eine überraschende Wendung, als sich der König entschließt, die Herzogin zu heiraten. Sein Plan: So soll Frieden einkehren. 1492 wird die Hochzeit vollzogen und Anne zum ersten Mal zur Königin von Frankreich. In Paris ist sie jedoch weit weg von der geliebten Bretagne und ohne politischen Einfluss. Auch privat ist sie vom Unglück heimgesucht: 6 Kinder sterben im jüngsten Alter und auch ihr Mann findet mit nur 27 den Tod.
Drei Tage nach dem Ableben des Königs wird sie Charles’ Nachfolger König Louis XII. versprochen, sobald dieser seine bisherige, kinderlose Ehe beim Papst scheiden lassen kann.
Rückkehr in die Bretagne
Während Anne auf die Ehe wartet, kehrt sie in die Bretagne zurück und nimmt die Verwaltung des Herzogtums in die Hand. Im Januar 1499 schließlich heiratet sie Ludwig. Ihr neuer Mann ist ein alter Verehrer Annes und Alliierter der Bretagne. Die Unabhängigkeit der Bretagne ist damit vorerst gesichert. Mit Ludwig hat sie 6 weitere Kinder, aber nur zwei Töchter überleben. Ludwig will die ältere der Töchter mit Franz von Angouleme verheiraten, der König von Frankreich werden soll. Anne lehnt die Ehe ab, sie favorisiert einen Enkel von Maximilian als Schwiegersohn. Bis zu ihrem Tod am 9. Januar 1514 in Blois wird sie gegen die Verbindung kämpfen.
Nach ihrem Tod wird sie zum Symbol des Widerstandes gegen die französische Fremdherrschaft. Dabei ist eine gute Portion Verklärung im Spiel. So trägt sie in der Legende Schuhe aus Holz und ist überhaupt sehr volksnah. Fakt ist jedoch, dass kein Bretonisch sprach und außer den Städten Nantes, Rennes und Vannes das Land kaum kannte. Noch heute ist die Herzogin und Königin mit der bewegten Biografie allgegenwärtig und fester Bestandteil der bretonischen Folklore. Hotels und Restaurants tragen ihren Namen, sie ziert Ansichtskarten, Tücher, Bierflaschen, und Keksdosen.
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Gemälde: © the lost gallery | CC BY 2.0